Offener Brief aus Anlass der Reichspogromnacht von Dr. Jaroslaw Poljak, Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Delmenhorst

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Stadt Delmenhorst,

 

heute ist der 9. November. Historiker würden sagen, der 9. November ist ein Schicksalstag für die Deutschen.
Am 9. November 1938 gab es furchtbares Leid und furchtbaren Schmerz, am 9. November 1989 gab es große Freude und Zusammenhalt.

Da aber der Vorwurf des Rechtsextremismus und Antisemitismus regelmäßig im Raum steht, möchte ich heute über den 9. November 1938 und die Gefahr des Rechtsextremismus wie Antisemitismus sprechen.

Mit dem Novemberpogrom am 9. November 1938 setzten die Nationalsozialisten einen ersten Höhepunkt in der Verfolgung unserer jüdischen Mitbürger. Eine beispiellose Verfolgung, die damit anfing, dass man deutschen Bürgern jüdischen Glaubens ihre Grundrechte entzog.

Damals war es eine schwarze Stunde für unser Land. Ein tiefschwarzer Fleck der uns ermahnt, immerwährend wachsam zu bleiben.
Viele sind der Ansicht, dass wir weit weg sind von dem, was 1938 geschah. Auch wenn die seinerzeitigen Ereignisse nicht weit zurückliegen, sie müssen benannt werden und die Opfer dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Darüber hinaus muss die Frage erlaubt sein, wie weit wir uns heute von Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entfernt haben.

In dem heutigen Deutschland werden Juden verfolgt, bespuckt, und getötet und Sie erleben Hass auf Demonstrationen im ganzen Land.
Das Thema Holocaust ist ein emotionales Thema, ein Thema das Angst macht. Diese Angst wird von vielen Menschen ausgenutzt, um die freie Meinungsäußerung einzuschränken. Wer darüber spricht, läuft Gefahr, in die braune Ecke geschoben, somit sozial ausgegrenzt zu werden. Eine derartige Stigmatisierung darf es in unserem Land nicht geben.
Ich habe durch den Holocaust Verwandte verloren. Die Verwandten, die den Holocaust überlebt haben, würden sich für die heute täglichen Ereignisse zutiefst schämen.

Den Stempel des Antisemiten oder Rassisten bekommt auch der derjenige aufgedrückt, der darauf aufmerksam macht, dass die primäre Gefahr für Juden nicht mehr von rechts ausgeht.

Wir leben in einem Land, wo der Sonderbeauftragte für Folter der UNO ein Verfahren gegen unser Land einleiten wird mit dem Vorwurf: „Polizeiliche Übergriffe auf friedliche Demonstranten„.
Der Vorwurf selber zeigt schon, dass wir aufmerksamer das Handeln unserer staatlichen Organe hinterfragen sollten.

Wir reden jeden Tag über Menschenrechte, sind aber jeden Tag bereit ein Stück unserer Rechte aufzugeben. Heute ist der Tag, an dem ich daran erinnern möchte, dass die Einschränkung der Rechte eine Zersetzung unserer demokratischen sowie rechtsstaatlicher Werte bedeutet. Dieses Land muss deutlich machen, dass unsere Rechte nicht verhandelbar sind.
Den millionenfachen tödlichen Hass, den es damals gab, wird es heute nicht mehr geben.  Das bedeutet aber nicht automatisch, dass wir in Freiheit leben. Die Grundrechte sind der Garant dafür, dass eine Mehrheit eine Minderheit nicht unterdrücken kann oder dass eine Minderheit einer Mehrheit ihren Willen nicht aufzwängen kann. Unser Land wurde auf demokratischen und rechtsstaatlichen Werten aufgebaut. Wenn wir diese Werte nicht verraten, wird es auch keinen zweiten Holocaust geben!
Was wir auch tun, die Opfer von damals werden nicht wieder lebendig. Wir können sie aber ehren, in dem wir uns gemeinsam gegen Hass und für freie Meinungsäußerung stark machen.

Dr. Jaroslaw Poljak,

Vorsitzender Ihrer AfD-Fraktion in Delmenhorst