Exklusivinterview von Dr. Jaroslaw Poljak im Weserkurier

In der Ausgabe vom 11. November 2021 veröffentlicht der Weser-Kurier ein Exklusiv-Interview mit dem Delmenhorster AfD Fraktionschef Dr. Jaroslaw Poljak.

Den Beitrag im Weserkurier finden Sie hier. Aus Platzgründen werden in Zeitungen generell Kürzungen vorgenommen, weshalb der vollständige Wortlaut hier noch einmal zu lesen ist:

 

Herr Poljak, Sie haben anlässlich des Jahrestages der Reichpogromnacht einen offenen Brief verfasst, Sie erinnern an die Verfolgung der Juden in Deutschland, Sie schreiben, dass die beispiellose Verfolgung damit begann, als den deutschen Bürgern jüdischen Glaubens ihre Grundrechte entzogen wurden. Fällt Ihnen bei der Zerstörung von Synagogen und der willkürlichen Verhaftung von Juden an diesem Tag nicht mehr ein, als das Entziehen von Grundrechten zu nennen?

Ja, es ist mir durchaus bewusst, dass in dieser Nacht Synagogen gebrannt haben und das es willkürliche Verhaftungen gab. Sie sollten an dieser nicht vergessen, wem Sie diese Frage Stellen. Ich bin, wie Sie wissen selbst Jude und habe mich intensiv mit der Thematik beschäftigt. Die Ereignisse dieser Nacht waren schrecklich, und einen vollumfänglichen Vergleich habe und möchte ich zur heutigen Zeit auch gar nicht herstellen.
Man muss aber unbedingt aus den Schrecken der Vergangenheit seine Lehren ziehen, damit sich diese nicht wiederholen können. In dem Zitat: „Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen“ steckt viel Wahrheit drin.

Man kann, nach meiner Ansicht die Opfer von damals nur Ehren wenn man eine mögliche Wiederholung mit allen Mitteln verhindert. Für alle Menschen die das Glück haben, die Generation danach zu sein, sind wir verpflichtet ein Leben in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu garantieren. Das geht nur, wenn man schon bei dem kleinsten undemokratischen Verhalten warnt. Dessen fühle ich mich verpflichtet und genau das war die Absicht hinter meinen Worten.

Sie sind selbst ein Bürger jüdischer Herkunft. Sie haben durch die Shoa Verwandte verloren, welche Lehren ziehen Sie daraus für die Gegenwart?

Ich denke, dass durch Ausgrenzung Hass entsteht. Die Juden wurden ausgegrenzt, aber es kann zu jedem Zeitpunkt eine andere Gruppe treffen. Durch eine soziale Stigmatisierung entsteht Hass und Angst, zwei Emotionen die das Schlimmste bei uns Menschen hervorbringt.
In unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist Meinungsfreiheit unerlässlich, die selbstverständlich auch mit einem Diskurs unterschiedlicher Ansichten einhergeht. Ein jeder sollte die Meinung des anderen respektieren, auch wenn er sie nicht teilt.
Ich warne dringend davor, uns gegenseitig wegen der Meinung eines anderen auszugrenzen. Denn dann stoßen wir das Tor zur Vergangenheit wieder auf.

Aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass die Vergangenheit unsere Gegenwart wie auch unsere Zukunft bestimmt. Respekt vor der Vergangenheit zu haben und seine Lehren zu ziehen bedeutet nicht, dass sich kein gesunder Patriotismus entwickeln darf. Patriotismus sollte bei der Gestaltung unserer Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

In der AfD finden sich, denken wir an Björn Höcke und den sogenannten Flügel, viele rechtsextremistische Positionen wieder, Höcke kritisiert, dass das Leugnen des Holocaust strafbar ist, Sie selbst sagen, das Thema Holocaust werde ausgenutzt, um die freie Meinungsäußerung einzuschränken, wird mit einer solchen Haltung nicht die Shoa verharmlost?

Zu Anfang möchte ich sagen, dass ich keine rechtsextremistischen Positionen sehe. Ich selber finde es gut, dass die Leugnung der Shoa (straf-)rechtliche Konsequenzen mit sich bringt. Ich weiß aber auch, dass gerade unter Juristen dieser Punkt sehr umstritten ist und wahrscheinlich ist meine Meinung weniger juristischer Natur als subjektiver, emotionaler Natur.
Wie in jeder anderen Partei gibt es auch in der AfD einen Meinungspluralismus. Hier geht es um die Frage der strafrechtliche Verfolgung nicht um die Leugnung an sich. Ich sehe eine Verharmlosung der Shoa, wenn die Erinnerung zur Shoa missbraucht wird um die freie Meinungsäußerung einzuschränken. Dass wiederum in der Partei auch ein Platz für Juden ist, zeigt die innerparteiliche Vereinigung: „Juden in der AfD“, die 2018 gegründet wurde.

Sie stellen in Ihrem Brief die Frage, wie weit sich in Deutschland von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entfernt wird, an welche Beispiele denken Sie und was hat das mit der Judenverfolgung zu tun?

Eine Demokratie kann nur mit echter Gewaltenteilung funktionieren.
Praktisch ist es in Deutschland inzwischen aber so, dass die Gewalten immer mehr untereinander zusammengewachsen sind. Wenn z.B. eine Regierungschefin Verfassungsrichter vor einer Entscheidung zum Abendessen einlädt oder das diese deutlich macht das das Ergebnis der Thüringen-Wahl rückgängig gemacht werden muss, halte ich für fatal. Ich sehe da keine Gewaltenteilung.
Schauen wir uns auch die staatliche Medienwelt an. Neue ARD Programmdirektorin ist Christine Strobl, Tochter von Wolfgang Schäuble und Ehefrau von CDU Politiker Thomas Strobl. Eine Verwobenheit mit der Politik ist unübersehbar, somit scheiden diese als neutrale, überparteiliche vierte Gewalt aus.
Um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen: Sie fragen nach der Verbindung zu der Verfolgung der Juden 1938.
Unsere Grundrechte, unser ganzes Rechtssystem wurde erschaffen aufgrund der Lehren die wir durch die Shoa machen mussten. Was bedeutet das für die Gegenwart, auch wenn wir an diesen Werten rütteln, wird es trotzdem keinen zweiten Holocaust geben. Aber unsere Freiheit, die Werte auf die unsere Gesellschaft aufgebaut sind, sind gefährdet. Und auch wenn das in keinem zweitem  Holocaust endet, darf es trotzdem nicht sein.

Sie schreiben, in Deutschland gebe es eine Bereitschaft, Menschenrechte aufzugeben, Sie bezweifeln, dass wir heute in Freiheit leben, zweifeln Sie am bestehenden demokratischen System?

Ich Zweifel nicht an dem System der Demokratie. Im Gegenteil, ich bin 100-prozentiger Demokrat, und gerade in der Demokratie sind die Freiheits- und die Persönlichkeitsrechte das wichtigste Gut. Ich sehe diese gefährdet, weil diese aktuell durch Maßnahmen eingeschränkt werden. Ich sehe in der letzten Zeit durch die Maßnahmen einen Abbau unserer Demokratie.
Unsere Grundrechte sind nicht einfach nur eine Ansammlung von Normen, sie sind elementar und eine Konstante in unserer Gesellschaft. Elementar bedeutet, dass die Grundrechte jederzeit und uneingeschränkt gelten müssen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob die Einschränkungen unserer Grundrechte im Vergleich zur Abwehr der Gefahr (Corona) verhältnismäßig sind und ob es noch das mildeste Mittel ist. Ich denke, dass es andere Maßnahmen gegeben hätte. Die unsere Grundrechte nicht verletzt hätten und gleichzeitig die Gefahr von Corona eingeschränkt hätten.
Wenn wir Anfangen unsere Grundrechte einzuschränken, dann ist das ein gefährlicher Präzedenzfall der möglicherweise von anderen, zukuftigen Regierungen kopiert wird. Ich sag es ganz deutlich, mit den Corona-Maßnahmen hat man nach meiner Ansicht die Dose der Pandora geöffnet. Dies sage ich nicht einfach als Bürger dieses Landes, sondern ich sage es als Rechtsgelehrter.