Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens: Wir gedenken der Opfer des Nationalsozialismus

Das, was war, war einmalig – das bedeutet aber nicht, dass es sich nicht wiederholen kann. Damals hat man gesagt, man hätte nichts gewusst. Heute schreibe ich diese Zeilen, damit eben dies morgen niemand sagen kann. Gerade mit Blick auf jene Vergangenheit ist es heute immens wichtig, jegliche aktuelle Einschränkung zu hinterfragen.

 

Die Konzentrationslager, all die toten Menschen – Kinder, Eltern, Paare, ganze Familien – gab es nicht von heute auf morgen. Es war ein schleichender, schrecklicher Prozess, der mit Ausgrenzung, Diskriminierung und Spaltung in der Gesellschaft begann und schließlich in eine Zukunft mündete, die keiner wollte. Damals durften Juden keine Restaurants besuchen, keine Sportvereine, Schwimmbäder, Theater, Kinos … sie wurden aus dem sozialen Leben fern gehalten. Ich darf heute als Ungeimpfter genau so wenig ins Restaurant, in den Verein, ins Kino, ins Konzert, in die Sauna. Mir ist bewusst, dass heute die Rechtfertigung eine andere ist. Auch der Schrecken und die Dimensionen waren natürlich ganz andere. Ich möchte hier gar keinen direkten Vergleich ziehen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass eine Ausgrenzung in meinen Augen ein Unrecht ist, und nichts auf Gottes Welt kann dieses Unrecht zum Recht erheben.

 

Wir sind heute schon soweit, dass selbst unsere Jugend ausgegrenzt wird. Ungeimpfte Kinder dürfen nur noch in kleinen Gruppen zusammen kommen, während diese Einschränkungen für geimpfte nicht gelten! Soziale Ausgrenzung macht die Menschen kaputt. Zu allen Zeiten. Natürlich ist unsere heutige Situation mit der damaligen in keinster Weise vergleichbar, das möchte ich auch besonders hervorheben – aber wir bewegen uns auf einem Pfad, der das Schlimmste im Menschen hervorbringen kann. Es gibt heute keine Erschießungen oder Lager, und ich behaupte nicht, dass die Gräuel von damals in irgendeiner Art und Weise mit den heutigen vergleichbar wären. Deswegen finde ich es umso erschreckender, dass die Andersdenkenden von heute mit den Verbrechern von damals nur allzu oft auf eine Ebene gestellt werden. Selbst Holocaust-Überlebende und/oder deren Nachkommen warnen aktuell vor dem Umgang mit Ungeimpften und sagen: Haltet ein – so hat es damals auch begonnen!

 

Die andauernde Ausgrenzung macht mir Angst und macht mich wütend. Menschen, die aus sehr persönlichen Gründen nicht bereit sind, sich „impfen“ zu lassen, müssen Angst haben vor sozialer Isolation, Demütigung, Benachteiligung, Beschimpfung. Sie müssen den Verlust des Arbeitsplatzes befürchten oder dass Verwandte, Freunde sich abwenden. Sollte eine Pflichtimpfung kommen, müssen sie sogar Angst vor Strafen haben, was sollte dann die letzte Konsequenz sein, eine Haftstrafe?

 

„Ungeimpft“ – das klingt in der heutigen Sprache wie ein Manko, ein Makel, geradezu wie ein Mal der Schande.

 

Damals haben Menschen geschrien „Juden ins Gas“. Auch heute hört man auf antijüdischen Demonstrationen diesen furchtbaren Satz. Damals wurden Juden auf offener Straße angespuckt und geschlagen. Auch heute, ist es als Jude nicht möglich sich frei überall bewegen zu können ohne gefährdet zu sein. Wollen wir morgen wirklich wieder sagen, wir haben es nicht gewusst?

 

Die politische Ausgrenzung, die heute schon furchtbare Maßstäbe erreicht hat, ist eine große Gefahr für unsere Demokratie. Damals wurden Menschen geächtet, die zu einer anderen Partei als der NSDAP gehörten. Heute haben wir auch eine Ausgrenzung. Wir von der AfD könnten ganze Bücher darüber schreiben. Durch Hass wird auf diese Art politisches Kapital geschlagen. Noch mal, es hat bei weitem nicht die selben Ausmaße wie damals, aber es ist und bleibt eine unangemessene Ausgrenzung.

 

Man möchte es nicht hören, möchte es am liebsten ausblenden. Aber die Wahrheit ist doch, dass wir uns immer mehr vom demokratischen Rechtsstaat entfernen. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo der UN-Beauftragte für Folter gegen die Bundesrepublik wegen Polizeigewalt Untersuchungen eingeleitet hat.

 

Auch hier, wäre ein direkter Vergleich mit damals unangemessen. Es ist hier nicht meine Absicht, einen direkten Vergleich zu den damaligen Ereignissen zu ziehen. Aber dieser Vorwurf sollte uns doch zumindest auf schrecken lassen.

 

Was ich heute vermisse, ist der Respekt vor der Geschichte. Der Respekt vor dem Recht und der Vernunft. Hier fehlt der Anstand.

 

Geschichte zu respektieren, aus der Geschichte zu lernen, bedeutet Verantwortung für die Gegenwart zu übernehmen. Vor diesem Ideal entfernen wir uns immer weiter.

 

Gerade bei Antisemitismusvorwürfen erwarte ich, das diese ernst genommen werden. Zwei ranghohe CDU Politiker stehen auf einer Antisemitenliste, auch hier darf es keine Vorverurteilung geben!

Aber aufgrund des heiklen Vorwurfs in Verbindung mit politischen Ämtern ist eine gründliche, neutrale Untersuchung nicht nur wünschenswert sondern auch notwendig.

 

Wir haben es heute gewusst und können morgen uns nicht von der Schuld freisprechen.

 

Jaroslaw Poljak